Neurologische Kinesiologie  


Integration frühkindlicher Reflexe

Frühkindliche Reflexe sind automatische, also immer gleich ablaufende motorische Reaktionen, die vom Hirnstamm und vom Rückenmark ausgehen. Jeder Mensch wird mit einem Set von frühkindlichen Reflexen geboren, die dem Überleben dienen. Mit fortschreitender Gehirnentwicklung entwickelt sich die Willkürmotorik (bewusste Kontrolle des Körpers). Voraussetzung hierfür ist, dass die frühkindlichen Reflexe in die Reflexe überführt werden, die wir ein Leben lang benötigen (Haltungsreflexe).

Miriam Bender erklärt, wie die anfangs weitgehend von Reflexen kontrollierten Kleinkinder allmählich viele dieser Reflexe überwinden:

"Ein neugeborenes Kind ist im wesentlichen ein Reflexorganismus. Es überlebt, weil es reflexbedingt sucht, saugt, schluckt, atmet, weint, hustet, niest und ausscheidet. Es bewegt seine Arme, Beine und seinen Kopf als reflexbedingte Reaktionen auf Reize aus seiner Umgebung und auch als Reaktion auf Reize, die in seinem Körper erzeugt werden.

Immer wenn ein Kleinkind mit einer Reflexbewegung reagiert, gelangt das Feedback seiner Bewegung und seiner Körperhaltung über das propriozeptive System an das Gehirn. Dieses Sinnessystem versorgt das Gehirn mit einem ununterbrochenen Informationfluss über Haltung und Bewegungen des Körpers und der Körperteile in bezug auf die Schwerkraft.

Wenn das Kleinkind die frühkindlichen Reflexmuster integriert und zu willkürlichen Bewegungen neu kombiniert, beginnt es, diese Reflexe zu hemmen. Jetzt unterstehen die meisten seiner Bewegungen, besonders die Bewegungen von Armen und Händen zunehmend der willkürlichen Kontrolle.

Der Prozess des entwicklungsbedingten Lernens ähnelt dem Erklimmen einer Leiter. Von einer festen Grundlage aus überspannt der Körper der Person, die die Leiter erklimmen will, mehrere Sprossen und die Person streckt sich, um die höchste der leicht erreichbaren Sprossen zu ergreifen. Hat sie diese höhere Sprosse fest im Griff, kann sie die Füße nachziehen. So ist das auch beim Lernen. Wenn sich das Kind eine effektivere Art der Informationsverarbeitung angeeignet hat, kann es die weniger effektive Art hinter sich lassen"

Normalerweise verläuft dieser Entwicklungsprozess innerhalb des ersten bis vierten Jahres. Während der Reflexintegration erlernt das Kind z.B. die differenzierte Willkürmotorik sowie die umfassende neurologische Informationsverarbeitung im Gehirn.

Bei einer nicht vollständig abgeschlossenen Reflexintegration bleiben Restreaktionen der frühkindlichen Reflexe bestehen und wirken sich z.B. erschwerend aus auf folgende Entwicklungen:
  • Hand-Augen-Koordination
  • Visuelle und auditive Wahrnehmungsverarbeitung
  • Konzentration
  • Sitzhaltung
  • Gleichgewicht
  • Orientierung
  • Sprache
  • Soziale und emotionale Kompetenz
alles Voraussetzungen für ein erfolgreiches Lernen.